Atlantiküberquerung Nächte 11 & 12

Die weisslich beleuchteten Wolkenfetzen am dunklen Himmel kündigen den baldigen Mondaufgang an. Bis dahin war die tropische Nacht finster, obwohl der Sonnenuntergang doch erst zwei Stunden zurückliegt. Der Wind bläst kräftig und gerade von hinten.

Die Segel stehen gut: Die Genua ist steuerbords gerefft ausgebaumt. Das Grosssegel steht backbords. Wir brausen mit 6-8 Knoten durch die Nacht. Wenn eine grössere Welle uns von hinten anschiebt, dann blitzen auch mal 9 Knoten im Display auf. Die Wellen ziehen unter dem Schiff durch.

Der Autopilot macht seine Arbeit gut. Er fährt das Schiff immer im selben Winkel zum Wind. Ändert der Wind seine Richtung, dann läuft das Schiff entsprechend mit. Einerseits müssen so die Segel nicht bei jeder leichten Winddrehung nachgetrimmt werden. Andererseits gehört der Windpilot auch zum Sicherheitsdispositiv: Würde das Schiff gerade auf Kurs fahren, so bliese der Wind nach einer starken Drehung früher oder später plötzlich aus der falschen Richtung. Dann schlüge buchstäblich das Grossegel auf die andere Seite hinüber, was ad extremis mit einem Mastbruch enden könnte.

Die runde Mondscheibe bringt endlich etwa Licht ins Dunkle. Gerne überlasse ich die ersten beiden Nachtwachen den Frauen und gehe schlafen. Nachtwache heisst, dass jemand draussen im Cockpit sitzt und ab und zu rundum blickt. Ist der Wind nicht zu stark geworden? Man müsste durch Reffen die Segelfläche verkleinern. Stimmt der Kurs? Man müsste allenfalls korrigieren und die Segel nachtrimmen. Sind andere Schiffe in der Nähe? Man müsste deren Kurs verfolgen und gegebenenfalls das Ausweichen über Funk absprechen. Sind Squalls in der Nähe? Squalls sind tropische Ministürme von 0.5 -2 Meilen Durchmesser. Man müsste die Segel reffen oder besser noch ausweichen.

Nach etwa zwei Stunden Schlaf wache ich das erste mal auf, mittlerweile aus Angewohnheit und auch wegen der Wellen. Der Wind hat zugenommen und die Wellen sind stärker geworden. Die Kaffeetassen im Wandschrank klappern genauso wie das Glas mit den Instant-Kaffee. Wäre die Schiebe-Schranktüre nicht geschlossen, so würden Tassen und Teller rausfallen, einmal mehr.

Wie immer ziehe ich die Rettungsweste über und leine mich im Cockpit an. Ein Blick auf die Instrumente bestätigt die Wahrnehmung. Das Boot ist schnell unterwegs. Die Kräfte im Rig und auf der Ruderwelle sollten nicht viel weiter steigen. Daher rollen wir für den Rest der Nacht etwa einen Drittel des Grosssegels in den Mast ein. Yuana fährt nun immer noch zügig und vor allem aber stabiler.

Nach einer weiteren Stunde Schlaf bin ich an der Reihe mit der Wache. Der Mond steht ist bereits auf der anderen Seite des Himmelszeltes. Das Wasser glitzert im Mondesschein. Während einer Stunde steuere ich das Schiff von Hand in Richtung Mond, um dem Autopilot eine Ruhepause zu gönnen. Ein aufdringlich zappelndes Geräusch lässt meinen Blick auf das Deck schweifen. Ein fliegender Fisch will zurück ins Wasser befördert werden.

Mittlerweile ist es Morgens um sieben und immer noch dunkel. In den knapp zwei Wochen seit Mindelo haben wir drei Zeitzonen durchfahren. Dabei haben wir standhaft die Uhren nicht zurückgestellt, damit es abends länger hell bleibt. Hier draussen ist man also sogar alleiniger Herrscher über die Zeitzonen.

Die Nacht war genauso schnell wie der Tag davor. Rekord! Endlich ist die 150-Meilenmarke geknackt!

Etmal Tag 12: 155 Seemeilen
Etmal Tag 11: 144 Seemeilen

AO-Xing Days 5 & 6: Finally Trade Winds

There we go with the trade winds. True wind speeds are above 20 knows at times. Sails are full and Yuana rushes down the winds and down the waves. Our 24-hour average traveling speed is now around or above 6 knots, as it is supposed to be. The sea is relatively flat and comfortable. Somewhat unexpectedly, we can even do our school program for the kids.

The boats which went for the Southern route make a fantastic progress these days. One catamaran even did more than 200 nautical miles within 24 hours. By its design and dimensions, Yuana cannot be that fast. We would have to reef the sails in the those winds and the sea state would certainly be not be better for us there. So we are still more than happy with the route we have chosen and glad that we passed some other boats in our vicinity.

Some who study our track might wonder why we zic-zac towards Barbados at times, whereas other ships go as the crow flies? With the sails available the boat makes best speed with a wind angle of 120-150 degrees. Heading straight downwind (which would be 180 degrees) makes the boat slower. The zic-zac however makes the route longer. So the trick is to understand how much extra speed the boat has to make so that the deviation still pays?

To find the trade-off between shorter distance and extra speed, we use the dimension ‘Velocity Made Good’ (VMG) on our displays. The VMG is the speed vector towards the destination. It decreases the farther we point away from the target waypoint, except if the boat speed increases more by doing the same. Yes, a bit complicated.

After a day without seeing any buddy boats, British ‘Krabat’ and Swedish ‘Rubicon’ appear on our screen. Our directions seem to cross. Finally we pass ‘Rubicon’ in a distance of just 0.2 nautical miles only, what a coincidence! Although if I like the idea of being alone very much, it is good to know that some buddies from the same Ralley around us. We chat for half an hour on the radio. One can find all kinds of topics to exchange. There are always news about well being, fixing things, weather or fishing. Fishing actually can be pretty expensive if the hooked fish would disappear with the expensive lures all the time.

Yes, we made the same experience: we are on one of the biggest fishing lakes in the world and run short of lures now, what a pity. So we started to create our own lures. It doesn’t require more that a hook, a couple of colorful woolen threads and a bit of fantasy to create own lures. We also found that the fish would bite better if some meat is attached to the hook.

Once we catch a fish of reasonable size, we bring it to deck and spray a little bit of alcohol into his gills. It is then quiet and can be ‚sent beyond’ and filleted quite easily. Joe tried the technique to fillet the fish without opening it and removing the intestines first. This goes much quicker and with less of a mess. By the way, the beautiful 75cm Wahoo we caught on day 6 gave a very nice lunch for all of us.

So here we are, doing well, feeling well, starting to discuss how we shall celebrate the next Half Way Party;-)! There is the big blue Atlantic Ocean all around us. We hear our own wake astern. Yuana gives us a safe and comfortable home.

Nautical miles during the crossing:
Day 6: 144nm
Day 5: 149nm

Grosser Wartungsstopp in Lissabon

Schon vor unserer Abfahrt in Holland war offensichtlich, dass der Motor in tiefen Drehzahlbereichen vermehrt ‘wackelte’. Die Stahl-Gummi-Lager, auf denen die Maschine steht, gingen ihrem Ende zu. Damals in Holland wollten wir endlich losfahren, und weil der Mechaniker kurzfristig keine Zeit hatte, haben wir den Austausch dieser Vibrationsabsorber eben aufgeschoben.

In den letzten Wochen wurden die Bewegungen des Motors stärker, und so rutschte der Austausch der Absorber auf der ToDo Liste stetig weiter nach oben. Unsere Schiffs-Pendenzenliste ist auch sonst länger geworden: Wo können wir unsere Gasflasche für den Herd auffüllen? Wie lösen wir das Problem mit dem Grossegel, welches wegen der Segellatten beim Ein- und Ausrollen zunehmend Probleme bereitet? Wo bekommen wir ein spezielles Ersatzteil für unsere Elektro-Winsch? Und vieles mehr…

Durch Herumfragen und mit etwas Glück sind wir an Carlos geraten. Carlos ist ein hiesiger Segler im Pensionsalter. Er weiss, welche Firma vor Ort welches Problem qualifiziert und bezahlbar lösen kann, und nimmt einem gegen ein kleines Entgelt gewisse Botengänge ab, für welche man selbst locker einen halben oder gar einen ganzen Tag bräuchte, im Speziellen wenn man kein Auto zur Verfügung hat.

Weshalb braucht es hier so lange, um ein vermeintlich kleines Thema zu lösen, wie zum Beispiel das Auffüllen einer Gasflasche? Während es ins Holland oder England an jedem Hafen einen “Chandler” (ein Laden für Marine-Ausrüstung) als ersten Anlaufpunkt gibt, so sind hier solche Läden rar. Hinzu kommt, dass man eine mitgebrachte Gasflasche in vielen Ländern aus rechtlichen Gründen sowieso nicht auffüllen lassen.

Kein Problem für Carlos: nach einer Stunde ist die neu befüllte Gasflasche da. Am selben Nachmittag kommt ein Mechaniker die Vibrationsabsorber anschauen. Am nächsten Tag fährt mich Carlos über 30km zu einem Segelmacher. Nun bestehen erst mal wertvolle Kontakte, welche wir sonst nicht gefunden hätten. Besten Dank, lieber Carlos!

Das Gasflaschen-Thema ist nun ja schon gelöst. Wenden wir uns also dem Segel zu. Die Segelmacherei kann man von aussen nicht als solche erkennen. Die Szene könnte als Filmkulisse dienen. Es gibt kein Firmenschild, lediglich ein rotes Garagentor. Man muss eben wissen, dass dahinter der Segelmacher schneidert und näht. Hinter dem Tor erkennt man keine Garage, weil der Raum dermassen zugebaut und zugestellt ist. Es bleibt lediglich ein schmaler dunkler Gang. Vor dem Ende des Gangs findet sich ein verglastes Kabäuschen. Als einzige Lichtquelle dient ein Computerbildschirm. Dann plötzlich steht man in einer geräumigen Segelmacherei, gut beleuchtet und etwa 25 Meter lang, hier so breit wie zwei Doppelgaragen, mit braunem Holzboden, der Raum zwei Stockwerke hoch. Es scheint, als würde es viel Arbeit geben. Seit mehr als 50 Jahren befindet sich die Firma im Familienbesitz. Vor 40 Jahren stand sie einige Jahre leer, weil der Vater in einer französischen Werft den fünffachen Lohn bekam. Heute sind hier zwei Brüder am Werk, und sie scheinen ihren Job zu verstehen.

Nach einem Austausch über unsere geplante Segelroute und der Begutachtung unseres Segels empfehlen Joao und Antonio, komplett auf störungsanfällige Segellatten zu verzichten. Stattdessen würden sie dem Tuch einen neuen, sogenannt negativen Schnitt zu verpassen.

Grob gesehen ist ein Grosssegel ein dreieckiges Tuch. Das Achterliek (die hintere Kante) ist tatsächlich oben häufig ‘ausgerundet’ geschnitten, um die Segelfläche zu vergrössern. Damit dieser ausstehende Segellappen nicht einfach schlaff herunterhängt, finden in vier eingenähten Lattentaschen dünne Segellatten platz. Nun soll also dieser ausstehende Segellappen (und noch etwas mehr) weggeschnitten werden, was diesen durchaus gängigen negativen Schnitt ergibt. Dies würde uns einerseits etwa einen Quadratmeter an Segelfläche kosten, was wohl 1-
2% Segelleistung entspricht. Andererseits wäre der jedoch der herunterhängende Lappen weg, welcher störende Luftverwirbelungen erzeugt. Wir folgen der Empfehlung und entscheiden uns also für den neuen Schnitt. Die Arbeit wird innert wenigen Tagen ausgeführt, und das Resultat sieht optisch ganz ansprechend aus.

Somit wären wir zurück bei den Vibrationsabsorbern. “Ja klar, diese sind in der richtigen Grösse und Gummihärte nach dem Wochenende verfügbar”. Das sind durchaus erfreuliche Neuigkeiten. Zuerst wollten wir diese Teile aus Deutschland bestellen, aber das hätte wohl zu lange gedauert. Dass ein Absorber 138 Euro kostet (in Deutschland wären es 42 Euro gewesen(!)) ist nicht verständlich, passt aber ins Bild. Hier ist sämtliche Ausrüstung teuer, auch dieselben Seekarten aus UK kosten das doppelte wie in England).

Nach besagtem Wochenende kommen tatsächlich drei Jungs mit den gemäss Beschriftung korrekten Absorbern. Der eine ist der 70-jährige Chef. Er ist für die Aufsicht und für das Telefonieren zuständig. Ausserdem schwärmt er ausführlich von seiner schönen jungen Frau aus Afrika. Der zweite ist ein sehr lernbegieriger Übersetzer, etwa 30 Jahre alt. Er schaut zu und versucht redlich, zu übersetzen. Der dritte ist ein schweigsamer Mittvierziger, Brasilianer, welcher die Arbeit erledigt, und somit für das Einkommen von allen dreien sorgt.

Im Gegensatz zu den Teilen kostet die Arbeit sehr wenig: knappe zwei Tage mit drei Personen schlagen mit lediglich 240 Euro zu Buche. Teilt man diese durch drei Männer und zwei Arbeitstage zu jeweils fünf Stunden, so verdient im Durchschnitt jeder 8 Euro pro Stunde, Auto und Mahlzeiten inklusive. Die Moral von der Geschicht für unsere Kiddies: “Übe fleissig und lerne auch dein Mundwerk zu gebrauchen. Dann kannst die Arbeit alleine machen und alle Mäuse für dich behalten.”

Die Geschichte mit den Vibrationsabsorbern ist jedoch noch nicht zu Ende. Beim Herausdrehen einer der vier Gewindestangen bricht diese ab. Sie war angerissen und trug nur noch auf der Hälfte ihres Querschnittes. Wäre sie im Betrieb abgebrochen, so hätte unser Motor wohl mehr als nur ‘gewackelt’.

Schliesslich bleibt mir noch Zeit für den Ölwechselservice, zu welchen auch der Austausch des Ölfilters, des Dieselfilters und des Diesel-Vorfilters gehören. Diese Arbeiten gehen mir mittlerweile recht einfach von der Hand. Ich staune jedesmal, mit wie wenig Wartungsaufwand so ein Dieselmotor mit wohl einhundert bewegten Teilen auskommt!

(Das Bild zeigt übrigens einen der Vibrationsabsorber, derjenige mit der gebrochenen Gewindestange).