Fisch, Fisch!

Endlich ist es soweit, wir haben die ersten Fische im Kühlschrank! Den allerersten Fisch hatten wir sogar gestern schon am Haken. Dank Jööö-Effekt haben wir ihn wieder gehen lassen. Ein einzelner Fisch hätte auch keine Mahlzeit gegeben. Höchst vorsichtig wurde der Haken mit einer Rohrzange abmontiert (die Zange hat natürlich den Haken gefasst und nicht etwa den Fisch). Vielleicht möchtest du nun nicht mehr weiterlesen, denn ich schreibe ehrfürchtig und wahrhaft, wie es den Kollegen erging.

Heute Abend schwimmen plötzlich wieder viele Fische um unser Schiff. Da kann man gar nicht die Angel unbenützt lassen. Schon bald ist einer am Haken. Wieder ist die Rohrzange im Spiel, denn es könnte ja sein, dass er sich wehrt und plötzlich beisst! Schwupps ist der Fisch in einem Eimer voller Salzwasser. Das ist sozusagen die Zwischenstation, denn schliesslich soll auch er überleben, falls uns keine weiteren Fische an die Angel gehen sollten. Es braucht jedoch keine drei Minuten bis zum nächsten Biss.

Nun kommt ein besonderes Schauspiel: der Fisch schwimmt wie verrückt hin und her. Dabei zieht er die Angelschnur mit sich, und weil insgesamt sechs Köder und Haken an der Schnur hängen, machen die anderen Köder die gleiche Fahrt. Das wiederum weckt den Räuberinstinkt anderer Fische, und so hängen plötzlich drei an derselben Schnur! Seither wissen wir, dass sich diese Fische offenbar auch gegenseitig fangen.

Jetzt ist das Schicksal des Fisches im Eimer klar. Auch ich kann nicht mehr zurück, denn einmal ist nun einfach das erste mal. Der Fisch muss zweimal die schwere Winschkurbel über sich ergehen lassen, und dann noch den Kiemenschnitt eines scharfen japanischen Damastmessers. Im Gegensatz zu mir hat er jetzt keine Probleme mehr. Für Junior ist alles höchst interessant. Gerne hätte er alle Aktionen durchgeführt. Ich lasse ihn nicht, denn ich will die Transition vom lebendigen Fisch zum Filet erst mal selber beherrschen, damit ich ihn hernach gut anleiten kann.

Während die ersten beiden Fische noch Widerstand geleistet haben, ergeben sich der dritte und vierte sang- und klanglos. Entweder mussten sie einfach zu lange im Wasser am Haken warten, oder sie wurden dadurch entmutigt, dass von ihren Kameraden nur noch die Köpfe ins Wasser zurück sprangen.

Nachdem drei der vier Fische tot sind fragt Manuela aus der Küche, was denn das überhaupt für Fische seien. “Gute Frage!”, ich weiss es nicht. Sie sehen schön und lecker aus, möglicherweise auch etwas unglücklich, aber das ist bei Fischen ja normal. Nach einer Internetrecherche beschliessen wir, dass es sich um Makrelen handelt, und ein Freund bestätigt das per WhatsApp.

Junior singt freundlicherweise ein spontanes Lied für die toten Fische, und die Tochter erklärt, dass sie nie wieder Fisch essen wird. So geht das also.

Sonntag auf der Biskaya

Unser Sonntag auf der Biskaya war gemütlich und abwechslungsreich. Am frühen Samstagmorgen sind wir in England gestartet, zu unserem ersten weiten Sprung, in einem Stück bis nach Spanien. Dabei überquert man zunächst den Ärmelkanal, und dann geht’s in einem Zug über die Biskaya, nach La Coruna. Auch mit dem Auto wäre das eine sehr lange Fahrt. Man würde zunächst ein Stück die englische Küste rauf, dann mit der Fähre über den Kanal, durch Frankreich bis nach Biarritz, um dann von Bilbao her die lange und schöne spanische Nordküste in Richtung La Coruna abzufahren. Wir haben Glück und können fast Luftlinie fahren. Am frühen Dienstagmorgen werden wir wohl in den spanischen Hafen einlaufen.

0 Uhr: Seit Stunden kommen wir bei 15 Knoten Halbwind, kleiner Welle und gutem Gezeitenstrom mit teils über 9 Knoten voran. Wir passieren die Insel Ouessant westlich. Bereits zum zweiten Mal auf unserer Reise fahren wir durch französische Gewässer, ohne einen Stopp an Land einzulegen. Noch viele Stunden werden wir das helle Licht den Ouessant-Leuchtturmes am Horizont erkennen.

2 Uhr: Der Sohnemann hat sich unter drei Decken auf der Cockpitbank eingemummelt, und schläft nun tief. Tapfer hat er Nachtwache gehalten, die schnell ändernden Fahrtrichtungen der Fischer auf dem Plotter verfolgt und darauf geachtet, ob unser Kurs frei ist von anderen Schiffen. Mir bleibt das Licht von Ouessant. Die typisch französischen Staccato-Funksprüche werden immer weniger.

4 Uhr: die stets neu gestellte 20-Minuten-Eieruhr weckt mich einmal mehr auf. Einige Fischerboote vor uns sind noch etwa 2 Stunden entfernt. Das Radar zeichnet jedoch eine grosse Reflexion auf die elektronische Seekarte, grösser als jedes Schiff. Es ist eine Regenzelle. In der Nähe fällt der Wind erst mal zusammen. Ich rolle die Genua weg und umfahre die Zelle, um nicht in die Böenzone zu geraten.

6 Uhr: Manuela hat vor einer Stunde die Wache übernommen. Ich habe sie schlafen lassen, solange es irgendwie ging. Bei tiefster Müdigkeit erlebt man es als ein grosses Privileg, wenn die Wachablösung umgehend kommt, und man sich einfach hinlegen kann. Kurze Zeit später fällt unsere Geschwindigkeit unter 4 Knoten. Zeit für den Dieselwind. Die Genua wird erneut weggerollt.

8 Uhr: Die Morgensonne wärmt, die mondhelle Nacht ist längst vorbei. Wir hatten die ganze Nacht über Besuch von Delfinen. Wenn man sie nicht schon vorher gesehen oder platschen gehört hat, so hat der Flachwasseralarm angezeigt, dass wir nicht alleine sind: Wenn im weit über 100 Meter tiefen Wasser plötzlich nur 2 Meter Wassertiefe angezeigt werden, dann war einer der schönen Tiere gerade unter dem unserem Echolot durchgeschwommen.

10 Uhr: Nun endlich bekommen auch die Kinderaugen viele Delfine zu Gesicht. Es ist ein grosses Aahhh und Oohhh, gefolgt von Klatschen für besonders tolle Delfin-Sprünge. Zum Frühstück wird das letzte Konfi-Glas mit Igiser Erdbeeren geöffnet, wir werden sie schon bald vermissen.

Zu unserem Sonntagmorgen gehört jeweils auch das Öffnen einer der 52 kleinen Rollen aus einer gelben Dose, welche wir zum Geburtstag geschenkt bekommen haben. Die Rollen sind kleine Zettel, auf denen ein Wunsch, eine Lebensweisheit, oder ein Bibelspruch steht. Heute ging es darum, dass man für andere ein Segen sein kann. Wir besprechen das mit den Kindern, und sie freuen sich darüber. Gerade auch bei solchen Gelegenheiten denken wir gerne an den warmen und berührenden Abschied, den wir von unserer reformierten Kirchgemeinde erhalten haben.

12 Uhr: Bei Windstille und wellenlosem Wasser lässt es sich in der Bordküche besonders gut arbeiten. Trotzdem sind wir froh, nur das nötigste machen zu müssen: Manuela hat nämlich bereits in England vorgekocht. Obwohl sich der kardanisch gelagerte Gasherd permanent den Schiffsbewegungen anpasst, will man unterwegs möglichst kurz mit Gasherd, heissen Pfannen und siedendem Wasser hantieren.

14 Uhr: Den Kontientalsockel, der wegen seiner Wellen so berüchtigt ist, haben wir im Flachwasser überquert. In diesem Falle hat uns die Windstille sehr geholfen, und wir sind froh, nicht schon einen Tag früher ausgelaufen zu sein. Tatsächlich haben wir nun 4800 Meter Wasser unter uns. Wichtig auch: jetzt sind wir erstmals auf unserer Reise südlich von unserem Wohnort in der Schweiz! Zunächst fallen die Faserpelze, später auch die Pullis darunter. Auch an der Temperatur wird offensichtlich, dass wir südlich fahren.

16 Uhr: Unsere Angelrute ist jetzt endlich im Betrieb. Wir haben in England Makrelenköder gekauft, Drei Fischhaken an einer Leine, jeder mit einer farbigen Feder dran. Bis am späten Abend wird kein Fisch anbeissen. Vielleicht bräuchten die französischen Makrelen blau-weiss-rote Federn statt das blau-rot-weiss des Union Jack? Vielleicht liegt der Misserfolg auch daran, dass es hier keine Makrelen gibt, oder dass wir als Fischer-Greenhorns anstatt eines Bleigewichtes eine chromglänzende Schraubenmutter hinten an unsere Schleppleine gehängt haben.

18 Uhr, ganz grosses Kino: Ölig liegt die See, und lustlos flappt unser Grosssegel in der geringen Dünung hin und her. Wir lassen es lediglich stehen, weil es die seitlichen Schiffsbewegungen dämpft. Ich bin gerade auf dem Weg in die vordere Kabine zum Vorschlafen, da sieht Manuela ihn als erste, einen Walfisch, wohl fast so lange wie unser Schiff. Seitlich kommt er auf uns zu, und wir überlegen, ob wir verlangsamen sollen, um nicht zu kollidieren. Schliesslich geht der Wal aber einige Meter hinter uns durch. Die Angelhaken lässt er zum Glück in Ruhe. Wir sehen ihm nach wie er seine Fontänen ausstösst. Wunderbar.

20 Uhr: Stündlich ruft Junior auf dem Seefunk in Englisch unsere Kollegen von der kanadischen Yacht auf. Wer sich wohl schon alles an die Kinderstimme gewöhnt hat? Die Küstenwache hört uns sicherlich nicht mehr, wir sind längst ausserhalb Funkreichweite zum Land. Unsere Kanadier waren ausserhalb des Verkehrstrennungsgebietes gefahren, wir innen durch. Das hat uns wohl ausser Funkreichweite gebracht.

22 Uhr: Der Junge ist heute müder als sonst ins Bett gefallen. Nun will die Tochter Nachtwache schieben. Wir suchen auf dem iPad nach Sternbildern. Schon bald aber zieht sie das Bett der harten Cockpitbank gegenüber vor.

24 Uhr: Die Schweizerflagge leuchtet im Licht der LED-Achterlaterne in kaltem Rot und Weiss. Ich geniesse es, die Schweizerflagge übers Meer zu führen. Seit fast 18 Stunden schiebt uns der Motor durchs Wasser. Die neuesten Wetterdaten zeigen, dass Flaute noch viele Stunden anhalten wird.

Rundherum hat es Wasser am Horizont, der sich bei Vollmond erhellt vom Meer absetzt. Einige Schleierwolken stehen in fahlem Weiss am Himmel. Heute funkeln nur die hellsten Sterne. Weit und breit ist nichts als Wasser. Wir sind alleine, und es ist schön, hier zu sein.

Wir leben uns ein

Nun haben wir die ersten Reisetage hinter uns. Es gibt immer noch unglaublich viel zu tun, und darum kommt der erste Reisebericht auch erst jetzt. Die Tage auf See haben viele Facetten, und das wichtigste ist, dass noch keine(r) ausgestiegen ist, obwohl sich beide Kinder am ersten Wellentag nach Hause gewünscht haben.

Zunächst berichten wir jedoch über unser Beiboot. Ein Beiboot braucht man, um vom Ankerplatz an den Strand oder zum Steg des Supermarktes zu kommen. Irgendwie hatte unser Beiboot letztes Jahr schleichend den unschönen Namen “GUMMISAU” bekommen. Das kam wohl daher, weil es wie die meisten Beiboote aus Gummi ist, und weil der 4PS Ausserborder Spass macht. Trotzdem ist “GUMMISAU” kein Name, mit dem man bei anderen Boatkids auftrumpfen kann. So musste vor Abfahrt in Makkum also unbedingt noch ein passenderer Name her. Namen für Beiboote sind nicht unüblich. Sie heissen gelegentlich LIZZY, BART, oder JAMES, und wenn Kinder dabei sind schon mal NEMO. Unsere Namensauswahl habe ich schon wieder vergessen, aber jedenfalls wurde das Beiboot nach einigem Hin-und-Her auf den klingenden Namen DORIE getauft.

Dorie ist die Fisch-Filmfreundin von Nemo. Im Film ist Dorie ein hübsches blaugelbes Fischmädchen, anfänglich sehr vergesslich, zuweilen etwas unentschlossen und schwer auffindbar. Unsere alte GUMMISAU war bislang stets zuverlässig, und wir hoffen, dass sie ihren vorzüglichen Charakter auch als DORIE wahrt.

Sodann wollten auch die Lehrerin und der Lehrer an Bord einen eigenen Künstlernamen haben. Wir haben nach lustigen Lehrernamen gegoogelt, und Namen wie Herr Tollkühn und Frau Bitter gefunden. Die Abstimmungsunterlagen waren schnell gemacht, und schliesslich ergab eine demokratische Wahl, dass unsere Lehrerschaft Herr und Frau Anders heissen. Schon in der ersten Schulstunde hatten unsere Schüler raus, dass die Schule von Herr und Frau Anders nicht gleich ist wie die Schule zu Hause.

Mittlerweile kommen wir ganz gut voran. Das konnten wir heute besonders gut erkennen, als wir die Kartensätze von Holland und von Belgien wegpackten. Wir sind nun im Südwesten von Belgien, und brauchen diese Seekarten nun nicht mehr. Die zeitlich günstig liegenden Gezeitenströme und das halbwegs passende Wetter erlaubte uns, einigermassen im Zeitplan zu bleiben. Der Zeitplan sieht vor, dass wir bis Ende Juli die 640 Seemeilen (1200km) bis Falmouth im Südwesten von UK erreicht haben. Wir wollen bis Ende Juli da sein, weil dann die meteorologischen Bedingungen für die Überquerung der Biskaya zumindest statistisch gesehen am besten sind.

So wollen wir nun vor allem Meilen machen, und ob wir diese segelnd oder motorend zurücklegen ist uns ziemlich egal. Deshalb fahren wir zzt immer den direkten Kurs unter Maschine. Die Segel rollen wir zusätzlich aus, wenn die Windrichtung und die Windstärke es erlauben. Man nennt dies Motorsegeln.

Von den windigen Tagen war einer unangenehmer als der andere, weil die Winde die Wellen aufbauen. Wenn dann noch der Gezeitenstrom gegen den Wind geht, entsteht eine kurze steile Welle. Die Wellen kommen häufig aus derselben Richtung wie der Wind. Und wenn man genau gegen den Wind fährt, so wie es für diese Jahreszeit und unsere Reiseroute üblich ist, dann schiebt der Motor uns über die Wellen drüber und der Bug stampft hoch und nieder. Die Wellen sind schliesslich auch der Auslöser für die Seekrankheit. Die gute Nachricht ist, dass sich meine Crew mittlerweile schon ganz passabel an diese unangenehmen Bedingungen gewöhnt hat. Gestern hat niemand mehr davon gesprochen, dass er oder sie lieber aussteigen möchte.

Alle haben sich an unseren Schiffsalltag gewöhnt. Die Kinder dürfen an den Reisetagen abwechslungsweise den Essens-Chef machen. Der Essens-Chef bestimmt, wann was in welcher Menge auf den Tisch kommt, und bereitet die Sandwiches, Suppen, Gemüse oder Früchte und Süsses zu. Ein grosses Geköch kann man unterwegs nicht machen. Für einen langen Tag kocht man vor.

Unsere Routenplanung sieht vor, dass wir kommende Nacht vier Stunden gegen den Strom nach Frankreich fahren, um dann ideale Strömungsbedingung für die Querung und Durchfahrt der Strasse von Dover vorzufinden.

Wer unsere Position verfolgen möchte, kann hier unsere Übernachtungsorte und einen Kurzkommentar zum Tagesgeschehen einsehen: https://yuana.life/about/

In Landnähe empfangen Funker die Signale unseres AIS-Transponders. Die Echtzeit-Position ist dann hier ersichtlich: https://www.marinetraffic.com/de/ais/home/shipid:3994976

Manchmal is diese Seite besser:

https://www.vesselfinder.com/vessels/YUANA-IMO-0-MMSI-269108440